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Dosenravioli in Monaco – Interrail durch Europa

Dieser Artikel wurde zuletzt am 13. Juli 2019 aktualisiert.

Neulich ist mir ein altes Fotoalbum in die Hände gefallen. Es enthält die Fotos meiner ersten “großen Reise”. Zwar sind seitdem knappe 18 Jahre vergangen, dennoch sind viele Erinnerungen daran noch so präsent als wäre alles erst vor wenigen Wochen geschehen. Wieder und wieder habe ich mir die Fotos angeschaut und bin dabei immer mehr ins Träumen geraten. Damals bin ich noch ganz anders gereist als heute. Mit deutlich mehr Zeit, ohne festen Plan und irgendwie intensiver.  Sechs Wochen war ich damals unterwegs, bin mit einem Interrail-Ticket quer durch Europa gefahren. Ich habe unter dem Eiffelturm geschlafen, in Monaco kalte Ravioli aus der Dose gegessen und bin schließlich nach einem Umweg über Rom bei einem Formel-1-Rennen in Budapest gelandet.

Im Nachtzug nach Paris

Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, das in mir aufkam, als ich damals zum Start der Reise den Nachtzug nach Paris betrat. Irgendwie fühlte ich mich frei und glücklich. Ich war dankbar, einfach dorthin fahren zu können, wohin ich wollte. Ein Gefühl, das auch heute in ähnlicher Form immer wieder auftaucht und mich unentwegt antreibt, neue Ziele zu entdecken. Damals hatte ich gerade mein Abitur in der Tasche, dafür sah es im Portemonnaie allerdings recht klamm aus. Entsprechend unpraktisch und klobig war die Ausrüstung, mit der ich unterwegs war. Ein dicker Schlafsack, eine viel zu große Isomatte, ein sperriges Zelt, ein Rucksack auf dem Rücken, ein Rucksack vor der Brust – ich muss ausgesehen haben wie ein Packesel.  Ich erinnere mich gut an entsprechend mitleidige Blicke, die ich erntete. Doch mir war das relativ egal, ich konnte endlich das tun, wovon ich immer geträumt hatte: die Welt entdecken.

Geschlafen wurde unter dem Eiffelturm

Erste Station auf meiner Entdecker-Tour, auf der ich mich tatsächlich wie ein moderner Alexander von Humboldt fühlte, war die französische Hauptstadt. Ich hatte den Start meiner Reise extra so gewählt, dass ich an jenem Tag dort ankam, an dem die Tour de France über die Champs-Élysées ihrem Ziel entgegenrollte. Es war die Zeit, als Radsport extrem populär war. Jan Ullrich hatte im Jahr zuvor die Tour gewonnen und jetzt feierte ein gewisser Lance Armstrong seinen ersten Sieg. Die Begeisterung der Zuschauer, die fremde Stadt, das fern der Heimat sein – alles hinterließ einen großen Eindruck bei mir. Mich störte dabei weder das über 20 kg wiegende Gepäck, noch die Tatsache, dass ich mir kein Hotel leisten konnte. Da es in Paris keine Campingplätze gab, auf denen ich hätte zelten können, wurde kurzerhand die Isomatte direkt unter dem Eiffelturm ausgerollt.

Auch in den folgenden Nächten war bei der Wahl der Übernachtungsplätze Kreativität gefordert. Nachdem die Reise mittels TGV an die Südküste Frankreichs führte, wurde an der Côte d’Azur ebenfalls am Strand geschlafen. Natürlich wurde auch beim Essen gespart. Ein Restaurantbesuch war nicht drin. Oft gab es einfach kalte Nudeln aus der Dose oder ein paar Kekse. Gefallen hat es mir trotzdem. Vielleicht sogar mehr, als wenn ich heute in einem schicken Gourmet-Tempel sitze.

In Monaco gibt es auch Ravioli aus der Dose

Ob das mondäne Monaco der richtige Platz für jemanden ist, der kaum Geld in der Tasche hat, bereitete mir im Vorfeld Kopfzerbrechen. Doch da ich damals ein großer Formel 1 Fan war, wollte ich unbedingt hierher und über den berühmten Stadtkurs schlendern. Die Sorgen waren jedoch völlig unbegründet. Schnell stellte ich fest, dass man in Monaco zwar ein Vermögen ausgeben kann, dass es aber auch hier Discounter, die Ravioli in der Dose anbieten gibt. Mir gefiel das einzigartige Ambiente derart, dass ich direkt ein Jahr später erneut hierher kam und mir dort ein Formel 1 Rennen anschaute.

Schlafen vor dem berühmten Casino traute ich mich dann aber doch nicht. Stattdessen wurde Kurs auf Italien genommen. Die Bahnfahrt durch den Süden Frankreichs, immer entlang der Küste, habe ich richtig genossen. Zu jener Zeit konnte man in den Zügen noch die Fenster öffnen und sich den frischen Wind, der vom Mittelmeer kam, um die Nase wehen lassen. Was würde ich heute manchmal dafür geben, wenn man in modernen Zügen auch einfach die Klimaanlage abschalten und die Fenster aufmachen könnte.

Eine Dusche mit Münzeinwurf

In Ventimiglia, einer kleinen italienischen Grenzstadt zu Frankreich baute ich das erste Mal während dieser Reise mein Zelt auf. Nachdem in den letzten Tagen an eher ungewöhnlichen Orten unter freiem Himmel geschlafen wurde, freute ich mich vor allem auf eine Dusche. Natürlich gab es eine solche auf dem dortigen Campingplatz “Camping Roma” – sogar ganz klischeehaft mit Münzeinwurf. Ich fühlte mich wie Gott in Frankreich, obwohl ich jenes Land wenige Stunden zuvor verlassen hatte. Dort, wo ich mich jetzt befand, wehte die Flagge Italiens. Ein Land, das  schon damals zu einem meiner absoluten Traumländer gehörte. Ich mag einfach die Mentalität der Italiener. Ihre manchmal etwas chaotische Art, ihre zugleich aber ausgeprägte Herzlichkeit. Noch heute fühle ich mich immer, wenn ich nach Italien komme, besonders wohl. Damals war es nicht anders und ich genoss es mit dem Zug durch den Norden Italiens bis nach Rom zu fahren.

Die ewige Stadt hatte ich zwar als Kind mit meinen Eltern schon einmal besucht, aber jetzt, da ich gerade 18 geworden war, und erstmals alleine unterwegs war, erschien mir Rom noch imposanter. Das Kolosseum, das Forum Romanum, der Vatikan mit dem Petersdom ich war absolut beeindruckt von dem was ich sah. Auch wenn ich inzwischen auf meinen folgenden Reisen unendlich viele Städte gesehen habe, hat mich bis heute keine so sehr beeindruckt wie Rom. Ich glaube, ich könnte hier Jahre verbringen und würde immer etwas Neues entdecken. Damals blieb ich einige Tage auf einem Campingplatz vor den Toren der Stadt.

In Rom all die geschichtsträchtigen Orte zu sehen, die man aus dem Schulunterricht oder aus Büchern kannte, machte mich sprachlos. Ich interessierte mich unheimlich für Geschichte und musste deshalb auch den italienischen Stiefel noch ein Stück in Richtung Süden fahren. Neapel war mein Ziel. Genauer gesagt Pompeij. Abermals schlug ich mein Zelt auf einem Campingplatz auf. Direkt an den archäologischen Stätten. Genau dort, wo 79 n. Chr. der Ausbruch des Vesuv für ein Inferno sorgte. Auch hier war ich absolut fasziniert und ergriffen, welche Spuren der Geschichte ich jetzt mit eigenen Augen sehen konnte.

Den Schwefeldampf des Vesuv eingeatmet

Ähnlich erging es mir, als ich mir dann den Vulkan aus der Nähe anschaute. Ich erinnere mich gut daran, wie mir fast schlecht wurde, als mich ein Bus in halsbrecherischer Fahrt die Serpentinen zum Kraterrand des Vesuv hinauf fuhr. Dann aber oben zu stehen, den beißenden Schwefeldampf aus dem Erdinneren zu riechen und diesen zu sehen, war ein ganz besonderes Gefühl. Plötzlich hatte all das, was ich zuvor in Geschichtsbüchern gelesen hatte etwas merkwürdig Lebendiges.

Anschließend führte mich die Interrail-Tour wieder in Richtung Norden. Wien lautete das nächste Ziel. Nach all dem, was ich in Italien gesehen hatte, konnte die Stadt mich allerdings nicht wirklich beeindrucken. Ich fand zwar alles irgendwie ganz nett, doch fehlte mir das gewisse Etwas. Entsprechend kurz fiel mein Besuch aus. Ich nutze die Chance und machte einen kleinen Abstecher nach Bratislava.

Von Grenzbeamten durchsucht

Jener Besuch in der Slowakei ist mir aus mehreren Gründen besonders in Erinnerung geblieben. Zum einen sind mir beim Grenzübetritt mit dem Zug die zahlreichen Wachtürme, mit Stacheldraht gesicherte Zäune und Soldaten mit Maschinengewehren aufgefallen. Sowas hatte ich bisher noch nicht gesehen und ich fragte mich, ob es sich dabei noch um Relikte des Kalten Krieges handelte. Zum anderen erinnere ich mich noch sehr gut daran, dass ich damals 20 DM in die lokale Währung getauscht habe und Probleme hatte die Slowakischen Kronen an den Mann zu bringen. Das Preisniveau war dort derart im Keller, dass sogar ich mir (fast) alles leisten konnte. Eine weitere Begebenheit, an die ich mich oft mit einem Schmunzeln erinnern muss, sind die österreichischen Grenzbeamten, auf die ich bei meiner Rückkehr von diesem Tagesausflug stieß. Ich hatte von meinem Besuch des Ätna einige Lavasteine als Souvenir mitgebracht. Diese schienen den Grenzern etwas suspekt. Sie kontrollierten mich schließlich ausgiebig. Ließen mich meinen ganzen Rucksack auspacken und drehten sogar meine benutzten Socken auf links. Dass sie nichts Verbotenes gefunden haben, schien sie irgendwie zu ärgern, als sie mich nach knapp einer Stunde ziehen lassen mussten.

Als letzte Station meiner Reise hatte ich ganz spontan Budapest auserkoren. Da ich unbedingt einmal ein Formel 1 Rennen live sehen wollte und dort in wenigen Tagen der Große Preis von Ungarn auf dem Programm stand, war die Gelegenheit günstig. Damals war die Formel-1-Begeisterung bei vielen Deutschen und Finnen auf dem Höhepunkt. Es war die Zeit, als Michael Schumacher gerade zu Ferrari gewechselt war und gegen Mika Häkkinen um die Weltmeisterschaft kämpfte. Entsprechend viele Fans aus beiden Ländern waren vor Ort. Der ländlich gelegene Hungaroring, auf dem das Rennen stattfand, war von kleinen Wohnhäusern umgeben, dessen Besitzer ihre Vorgärten zum Zelten vermieteten.

Die Formel 1 wurde fast zur Nebensache

Auch ich bezog einen solchen improvisierten Campingplatz und hatte in den Nächten, die ich dort verbrachte unheimlich viel Spaß. Ich kam mit so vielen unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Ländern in Kontakt, dass die Formel 1 schon fast zur Nebensache wurde. Ich trank finnischen Wodka und mein “Herbergsvater” kochte ungarisches Gulasch – einfach phänomenal.

Endlos lang zog sich die abschließende Bahnfahrt von Budapest nach Hause. Ich wünschte mir damals, einfach ein Flugzeug nach Hause nehmen zu können. Heute hingegen wünsche ich mir manchmal, wieder die Zeit von damals zu haben. Ich liebe es zwar zu fliegen und schnell von A nach B zu kommen, doch die langsame Art des Reisens, wie ich sie bei dieser Interrail-Tour erleben durfte, hatte etwas ganz Besonderes, das ich in dieser Form wahrscheinlich nie wieder erleben werde. Manchmal blicke ich etwas wehmütig zurück. Dann denke ich daran, wie aufregend es damals war und welch interessanten Menschen ich unterwegs getroffen habe. Als ich mit dem Zelt unterwegs war und auf Campingplätzen und in Zügen gelebt habe, bin ich mit ungleich mehr Menschen ins Gespräch gekommen, als wenn ich heute mit dem Flugzeug unterwegs bin und am Zielort die Hoteltür hinter mir schließe. Wenn es mir irgendwo gefiel, blieb ich einfach länger. Wenn nicht, verschwand ich einfach eher. Manchmal fehlt mir diese Art des Reisen, manchmal bin ich froh, dass ich heute anders unterwegs sein kann.

Welche Erinnerungen habt ihr an eure erste Reise?

Seid ihr auch per Interrail unterwegs gewesen? Erinnert ihr euch noch an eure erste Reise? Was war dort anders als bei euren heutigen Reisen? Hinterlasst doch unten einen Kommentar. Ich würde mich sehr über eure Erfahrungen freuen.

Thomas Limberg

Ich bin Thomas – das Gesicht hinter Breitengrad66. Schon seit 2010 nehme ich meine Leser in diesem Reiseblog mit auf Reisen. Unterwegs gibt es fast nichts, für das ich mich nicht begeistern kann. Ob fremde Kulturen, sportliche Herausforderungen, einzigartige Natur, schicke Hotels oder außergewöhnliche Kulinarik – ich bin immer neugierig auf Neues. Auf keiner Reise fehlen darf meine Kamera, denn Fotografie ist eine meiner größten Leidenschaften. Besonders stolz bin ich darauf, dass Breitengrad66 bei der renommierten Wahl zum Reiseblog des Jahres 2020 von Touristik PR unter die 20 besten gewählt wurde. Mehr über diesen Blog und über mich gibt es HIER zu lesen.

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