Dieser Artikel wurde zuletzt am 13. Juli 2019 aktualisiert.
Arnold Schwarzenegger, Niki Lauda, Andreas Gabalier, Ralf Moeller und Bernie Ecclestone – alle waren sie gekommen. Und ich war auch dabei. Schon lange wollte ich mir mal das legendäre Hahnenkammrennen auf der Streif in Kitzbühel anschauen. Doch wie ist es dort als Zuschauer und wie viel sieht man von den mit über 100 km/h den Hang hinunter bretternden Skifahrern überhaupt? Ich hatte mir für 43 Euro ein Kombiticket der Österreichischen Bundesbahn gekauft, das zur Anreise mit dem Zug und zum Eintritt berechtigt.


Ich wollte mir unbedingt einen guten Platz zum Fotografieren sichern und nahm deshalb früh morgens den ersten Zug in Richtung Kitzbühel. Während ich noch im Halbschlaf durch eine traumhaft verschneite und still in sich ruhende Winterlandschaft zum Bahnhof stapfte, durchdrang plötzlich lautes Bassgedröhne die morgendliche Stille. Ein nicht ganz jugendfreier Text über eine scharfe Nachbarin gesellte sich dazu. Die Geräusche kamen aus einem Gettoblaster, den eine Gruppe von sechs Männern mit sich rumtrug. Zwei von ihnen schleppten eine Kiste Bier und keiner von ihnen schien mehr wirklich nüchtern. Die Blick auf die Uhr verriet allerdings: es war erst kurz nach 6 Uhr. Das kann ja heiter werden, dachte ich mir und stieg in den Zug nach Kufstein, wo ich umsteigen musste. Dort gesellten sich weitere Musikliebhaber dazu. In dem Wagen, in dem ich jetzt saß, mischten sich die Klänge von Andreas Gabaliers Hulapalu mit undefinierbaren Techno-Hämmern und irgendetwas, das an Heino erinnerte. Von winterlicher Bergromantik keine Spur mehr. Ok, das hatte ich auch nicht erwartet, trotzdem war ich froh, als Kitzbühel erreicht war und ich den Zug verlassen konnte. Morgens um kurz nach 8 Uhr war hier schon einiges los. Es schneite wie Teufel, aber durch die Gassen des Städtchens drängten sich bereits reichlich Menschen. Überall dröhnte Musik. Improvisierte Bierbuden vor jedem Geschäft versuchten sich in der Lautstärke gegenseitig zu überbieten. Vom Ballermann war man solche Szenen wie hier ja gewohnt, aber nicht in den Bergen. Ich überlegte kurz, ob ich versuchen sollte mein Ticket zu verkaufen und stattdessen lieber irgendwo auf einen abgelegenen Berg wandern sollte. Doch da ich nun schon mal hier war, wollte ich auch das Rennen auf der Streif sehen.

Der Trubel in Kitzbühel ging mir zunehmend auf den Keks. Ich begab mich deshalb schon an die Strecke, obwohl bis zum Start noch über 3 Stunden Zeit waren. Zu meiner Überraschung war hier fast nichts los. Ich war fast alleine dort. Ich stand direkt im Zielbereich und mein erster Blick ging den Hang hinauf. Es war immer noch stark am Schneien und etwas Nebel hatte sich ins Tal gelegt, doch das, was ich dort erkennen konnte, beeindruckte. Wahnsinnig steil führte die Streif nach unten. Aus dem Fernsehen wusste ich von früheren Übertragungen, dass es später im Zielraum besonders voll würde. Da sich meine Lust auf betrunkene Feierbiester in Grenzen hielt, entschloss ich mich, mir einen Platz weiter oben an der Strecke zu suchen. Ich stapfte los und geriet bereits nach wenigen Metern ins Schwitzen. Das Gelände war doch arg steil. Je höher ich kam, desto schwieriger wurde es. Ich ärgerte mich, dass ich meine Steigeisen nicht mitgenommen hatte. Ich hatte diese extra nicht eingepackt, weil ich dachte, man dürfe diese bestimmt nicht mitbringen, doch da sollte ich falsch liegen. Was Zuschauer hier alles mitbrachten, wäre in einem Fußballstadion z.B. nicht denkbar. So nahm ich leider auch nichts zu trinken mit, weil auf der Homepage des Hahnenkammrennens ausdrücklich stand, dass dies verboten sei. Als mich jedoch immer mehr Menschen auf dem Weg nach oben mit Picknickkörben, Thermoskannen etc. überholten, ärgerte ich mich über mich selbst, dass ich nichts dabei hatte. Zumal mir die Zunge vom stetigen nach oben Klettern langsam immer mehr heraushing und es hier keine Getränkebuden mehr gab. Dafür erreichte ich einen schönen Platz am Ausgang der sogenannten Hausbergkante und beschloss, mir das Rennen von dort anzuschauen. Es bot sich ein spektakulärer Blick auf das untere Viertel der Streif mit dem legendären Zielsprung bis hinunter zum Zielraum. Von hier beobachtete ich auch die sogenannte Streckeninspektion, bei der die Athleten vor dem Rennen über die Strecke fahren und die Schlüsselstellen genau in Augenschein nehmen. Die Norweger um den Favoriten Aksel Lund Svindal stoppten dabei auffällig lange an einem Tor direkt vor mir – nicht ohne Grund, wie sich später noch auf tragische Weise zeigen sollte.









Je näher der Start rückte, desto mehr Menschen quälten sich den Hang hinauf. Inzwischen war der Schnee so platt getrampelt, dass er zu blankem Eis geworden war. Kaum einer konnte sich in dem steilen Gelände noch auf den Beinen halten. Der Alkohol tat bei vielen sein Übriges. Und so kam es, wie es kommen musste, ständig kam jemand ins Rutschen, schlitterte ein paar Meter abwärts, bis er irgendwen in die Hacken rutschte, der seine Talfahrt stoppte. Da ich in vorderster Reihe stand, konnte ich mich am Zaun der Streckenbegrenzung festhalten und hatte noch einen halbwegs sicheren Stand. Trotzdem nervte es, dass ständig irgendwer angerutscht kam. Der Start des Rennens wurde inzwischen wegen des Nebels um eine Stunde nach hinten geschoben und das Chaos hier oben immer größer. Kinder lieferten sich Schneeballschlachten und Besoffene schubsten sich gegenseitig, um sich daran zu erfreuen, wie ihre Freunde den Hang hinunterpurzelten. Direkt neben mir, standen zwei richtige Rotzlöffel von vielleicht 7 oder 8 Jahren, die aus Langeweile nichts besseres zu tun hatten, als sich ständig gegenseitig mit Schnee zu bewerfen. Dass dabei ständig was auf meiner Kamera landete, schien auch die Eltern nicht zu stören. “Jetzt reg di net so auf, des san Kinder”, ließ mich die Mutter wissen, als ich sie darum bat, mal etwas darauf zu achten, dass wenigstens nicht alles in Richtung meiner Kamera fliegt. Langsam wurde es mir hier oben zu bunt und der Strom von Menschen, die ihr Promillelevel, welches für sie erträglich war, längst überschritten hatten, riss nicht ab. Immer mehr drängten nach oben. Ich bekam langsam sogar Angst und wollte einfach nur noch weg hier. Ich beschloss, mich wieder in Richtung Ziel zu bewegen, auch wenn es mich tierisch ärgerte, dass ich mich extra hier hoch gekämpft hatte und nun das Rennen nicht von hier sehen konnte. Der Weg nach unten trug nicht dazu bei, meine Laune zu heben. Auf einen Zusammenstoß mit einem ausgerutschten Zuschauer folgte der nächste. Ständig rutschte mir wer in die Beine und brachte mich zu Fall. Als ich endlich in etwas weniger steilem Gelände war, machte ich drei Kreuze. Dafür bretterten jetzt die Hobbyskifahrer zwischen den Zuschauern rum. Viele von ihnen mussten natürlich bei einer solchen Veranstaltung zeigen was sie für tolle Hechte sind und im letzen Moment vor den Zuschauern bremsen, diese als Slalomstangen benutzen etc. Ich kann bis heute nicht verstehen, warum man unbedingt auf Skiern zu einer Sportveranstalung kommen muss. Entweder ich will selbst Skifahren oder mir ein Skirennen anschauen, aber muss es beides gleichzeitig sein? Bei der Formel 1 kann man doch auch nicht mit seinem tiefergelegten 5er BMW durch die Zuschauerränge rasen und der Welt zeigen, dass man eigentlich der bessere Rennfahrer ist.


Den ersten Starter sah ich dann von etwas weiter unten. Ich stand ungefähr auf halber Höhe zwischen Hausbergkante und Zielsprung und war doch einigermaßen begeistert von dem, was ich sah. Sportler, die absolut am Limit den Berg runterrasten. Obwohl ich die Fahrer von dieser Stelle nur ein kurzes Stück und jeweils nur für wenige Sekunden sehen konnte, war doch deutlich zu erkennen, wer die bessere Linie fuhr und wer das Rennen wie anging. Je mehr Starter kamen, desto besser gefiel es mir hier. Ich machte mich auf den Weg weiter nach unten. Ich wollte das Rennen dann auch noch aus einer anderen Perspektive sehen. Gerade noch im Augenwinkel sah ich dabei, wie ein Athlet an genau der Stelle weiter oben am Hang, genau dort wo ich ursprünglich stand, stürzte. Der Rettungshubschrauber kam angeflogen und musste den Verletzten bergen. Für einen kurzen Moment war sogar die Halligalli-Stimmung unterbrochen. Auf den Videowänden wurde der Sturz wieder und wieder gezeigt. Ein Gefühl, dass hier gerade etwas Schlimmes passiert war, machte sich breit. Und genau das sollte sich in der Folge noch zwei weiter Male wiederholen. Während Georg Streitberger der erste war, der schwer stürzte, erwischte es in der Folge auch Hannes Reichelt, der an gleicher Stelle fast ungebremst in die Fangzäune krachte. Selbst der Favorit Aksel Lund Svindal, der wenige Stunden zuvor bei der Streckenbesichtigung noch an exakt der Stelle lange nach der idealen Linie schaute, stürzt schwer. Spätestens jetzt war es mit der ausgelassenen Stimmung vorbei. Unter den knapp 50.000 Zuschauern herrschte fast schon andächtige Stille. Viele verließen die Strecke und strömten in Massen Richtung Innenstadt. Ich auch. Ich hatte genug gesehen und wollte hier weg, bevor sich alle Zuschauer auf den Weg nach Hause machen. Wer gewonnen hat, schien eh zur Nebensache geworden zu sein. Dass es Peter Fill war, muss ich später im Internet nachschauen. Das habe ich vor Ort eben sowenig mitbekommen, wie dass das Rennen nach 30 Läufern wegen der schlechten Bedingungen abgebrochen wurde. Im Nachhinein bin ich froh, mal live das Hahnenkammrennen gesehen zu haben. Die Athmospähre dort ist – wenngleich absolut nicht mein Fall – sicher eine ganz spezielle. Das Rennen einmal gesehen zu haben, reicht mir aber definitiv. Ein zweites Mal muss ich dort ganz sicher nicht hin.



















Mein Video von der Streif
Ich habe zwischendurch mal versucht einige bewegte Bilder von der Streif mit dem Handy einzufangen. Hier das Ergebnis:
httpv://www.youtube.com/watch?v=mwMxIf5dqyo
Dokumentarfilm über die Streif
Übrigens gibt es auch einen recht professionellen und ziemlich gut gemachten Dokumentarfilm über die Streif. Ich kann diesen sehr empfehlen:
- Salmina, Gerald (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 6 Jahren
Dein Bericht von der Streif klang ja leider nicht so prächtig wie du wahrscheinlich erwartest hattest und dann noch die schweren Stürze der Teilnehmer. Ohje.
Das wäre jetzt auch nichts für mich gewesen. Trotzdem interessant zu lesen. Dafür ein Danke an dich, dass du vor Ort warst und darüber berichtet hast :)
Sonnige Grüße
Conny
Hallo Conny,
danke für den Kommentar!
Ja, es stimmt, es war schon etwas komisch dort, aber ich bin froh, dass ich das “Spektakel” dort mal live erlebt habe.
Schöne Grüße
Thomas
Hi Thomas,
soso warst du also auf der Streif;-)
Mal abgesehen von der “grenzwertigen” Atmosphäre, war es bestimmt ein eindrückliches
Erlebnis. Fernsehbilder können das nicht authentisch wiedergeben.
Letztlich entscheidet aber das Erlebnis. Vielen Dank für den Bericht.
Viele Grüße
Stefan
Hallo Stefan,
ja, da hast du vollkommen Recht. Es war sehr eindrücklich – in allen Belangen…
Vielen dank und viele Grüße
Thomas