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Astronaut Hans Schlegel im Interview

Dieser Artikel wurde zuletzt am 29. Januar 2020 aktualisiert.

Kürzlich war ich im Kennedy Space Center in Florida, über das es demnächst auch einen Artikel hier im Blog geben wird. Ich habe die Orte gesehen, von denen die Apollo-Astronauten zum Mond aufbrachen und von denen die Astronauten mit den Space Shuttles in den Orbit starteten. Was ich dort gesehen habe, hat mich extrem begeistert. Als ich vor der riesigen Saturn-V-Mondrakete und vor der Raumfähre Atlantis stand, habe ich mich immer wieder gefragt, wie sich ein Mensch wohl gefühlt haben muss, wenn er von dort ins All aufgebrochen ist. Einer, der es wissen muss, ist der deutsche Astronaut Hans Schlegel. Er ist zwei Mal mit einem Space Shuttle vom Kennedy Space Center abgehoben. Der sympathische 68-jährige lebt und arbeitet heute in Houston. Dort konnte ich mit ihm ein ausführliches Telefonat führen und all meine Fragen loswerden. Seine Antworten finden sich im nachfolgenden Interview:

Astronaut Hans Schlegel bei einem Weltraumspaziergang
Astronaut Hans Schlegel bei einem Weltraumspaziergang. Foto: Nasa

Ich bin ja ein Kind der Raumfahrt

Herr Schlegel, Sie waren der letzte deutsche Astronaut einer Space-Shuttle-Mission. Im Jahre 2008 hoben Sie mit dem Shuttle Atlantis, das heute im Kennedy Space Center in Florida besichtigt werden kann, zur Internationalen Raumstation ab. Wie kamen Sie eigentlich dazu?

Ich bin ja ein Kind der Raumfahrt. Als ich anfing die Welt zu entdecken, da flog Sputnik, da flog Juri Gagarin in den Weltraum. Damals, als 12- oder 13-Jähriger, habe ich über Raumfahrt alles Mögliche gelesen, was ich nur in die Finger kriegen konnte. Trotzdem war das damals für mich so irreal und unerreichbar wie nur irgendwas. Die Sojus-Raketen der Russen, die Versuche zum Mond zu kommen, die Mercury-, Gemini- dann die Apollo-Kapseln – das fand damals alles in so unglaublich kurzer Zeit statt. 1961 war der erste bemannte Raumflug, acht Jahre später dann schon die Mondlandung. Das war die Zeit, da war ich zwischen 10 und 18 Jahre alt. Mein 18. Lebensjahr habe ich dann in den USA als Austauschschüler verbracht und bin dort in eine andere Kultur eingetaucht. Zu dieser Zeit fand dann auch die erste Mondlandung statt. Selbst wenn ich in meinem späteren Leben nicht Astronaut geworden wäre, bin ich trotzdem ein Kind der Raumfahrt.

Und wie wurden Sie letztendlich Astronaut?

Als ich professionell als Physiker arbeitete, bekam ich eine Halbleiterprobe aus dem Weltraum auf den Labortisch um sie infrarotspektroskopisch zu analysieren. Mir wurde plötzlich klar, dass ich die Raumfahrt über meine neue Liebe Experimentalphysik, nach dem Studium etwas aus dem Blick verloren hatte. Zugleich waren es deutsche Astronauten, die diese Probe im Erdorbit gezogen hatten. Ich habe mir damals vorgenommen, wenn Deutschland nochmal Astronauten sucht,bewirbst du dich. Zufällig kam das dann tatsächlich so.

Raketengarten im Kennedy Space Center
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Sie arbeiten heute im im Space Center in Houston, Texas. Neben dem Kennedy Space Center in Florida ist es eines der großen Raumfahrt Hotspots in den USA. Worin unterscheiden sich die beiden?

Houston ist die Heimat der bemannten Raumfahrt. Dort werden die Astronauten ausgewählt und ausgebildet. Dort werden sie für den Einsatz im All vorbereitet. Am Kennedy Space Center findet der Zusammenbau der Raketen mit der Nutzlast sowie der Start statt. Natürlich sind die Astronauten in der Ausbildungsphase immer wieder auch am Kennedy Space Center. Im Moment eines Raketenstartes, wird die Kontrolle vom Launch Control Center im Kennedy Space Center sofort nach Houston abgegeben. Von da an findet dann alles in Houston statt. Diese beiden Zentren sind ganz unterschiedlich, aber komplementär, sie arbeiten an den gleichen Raumflugprojekten.

Es ist einfach gigantisch

Lassen Sie uns etwas über das Kennedy Space Center sprechen. Was ist Ihnen von ihrem ersten Besuch dort besonders in Erinnerung geblieben?

Das ist natürlich sehr beeindruckend. Es fängt an mit den äußeren Umständen. Immer helles Licht, immer Sonnenschein, immer Wärme – dazu heftige Regenschauer. Das kennt man auch aus Deutschland, in Florida sind die Schauer aber warm. Insgesamt ist es einfach eine liebliche Atmosphäre. Hinzu kommt dieser amerikanische Way of Life. Wohin sie auch kommen, die Menschen sind freundlich. Dann natürlich die tolle Küste mit den Nehrungen, den vorgelagerten Inseln und Flüssen. Insgesamt eine unendliche Weite. Vor diesem Hintergrund ist man tief beeindruckt und dann sieht man das, was auch Besucher im Kennedy Space Center sehen können. Natürlich wurden wir zuerst auch in den Besucherbereich gebracht, von wo aus wir dann die verschiedenen Abteilungen angesteuert haben. Das Vehicle Assembly Building, in dem die über 100 Meter hohe Mondrakete zusammengebaut wurde. Das ist ein Gebäude mit einem hohen Tor, aus dem die stehende Rakete herausgefahren wurde. Es ist einfach gigantisch. Wir konnten auch die Startrampen besuchen. Mercury, Gemini und natürlich auch Apollo, mit denen die Mondlandungen stattfanden. Die Startrampe von Apollo 1 ist heute ein “National Monument“ und eine Gedenkstätte. Dort kamen bei einem Bodentest im Januar 1967 drei Astronauten ums Leben. Da denken die Besucher natürlich auch immer sofort an die möglichen Risiken und die Verluste, die man erleiden kann, wenn man an Dingen arbeitet, die auf der einen Seite eine Gefährdung mit sich bringen und auf der anderen Seite das Potential haben einen hohen Gewinn zu erzielen.

Das Vehicle Assembly Building der NASA gehört zu den größten Gebäuden der Welt. Foto: Thomas Limberg
Das Vehicle Assembly Building der NASA gehört zu den größten Gebäuden der Welt. Foto: Thomas Limberg

Sie haben ihr Herz mit bei der Arbeit

Ob beim Gedenken an das Apollo-1-Unglück oder in der Vorausschau auf kommende Weltraummissionen – die Amerikaner legen einen großen Patriotismus und Stolz auf ihre Raumfahrt an den Tag. Überhaupt fällt allgemein eine sehr positive Lebenseinstellung auf. Im Kennedy Space Center scheint jeder Mitarbeiter – vom Pförtner bis zum Astronauten – stolz auf seine Arbeit zu sein und an das große Ganze zu glauben. Ist Ihnen das auch aufgefallen?

Das ist tatsächlich so. Besonders fällt es auf, wenn man als 17-Jähriger Austauschschüler in die USA kommt und diesen Positivismus erlebt. Als Deutsche sind wir ja eher eine nüchtern sachliche Art gewöhnt, da ist diese überschäumende Freundlichkeit und das positive auf einen Zugehen um so schöner. Bei der NASA im Kennedy Space Center arbeiten Menschen, die ihre Arbeit als etwas ganz Besonderes empfinde. Sie haben ihr Herz mit bei der Arbeit. Übrigens ist das eine generelle amerikanische Eigenschaft, die Sie auch beim Taxifahrer in New York finden können. Mich hat das als junger Mensch sehr angenehm berührt.

Ich war sehr überrascht, wie positiv neugierig die Amerikaner sind

Ist man denn als Astronaut in den USA voll integriert oder bleibt man trotzdem irgendwie der Deutsche?

Ich bin sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges geboren. Diese Zeit war immer noch geprägt von den Einstellungen zum Militär und den Beziehungen zu den Siegermächten. Als siebzehnjähriger kam ich dann in die USA und war von meiner Art etwas skeptisch. Ich dachte mir, da wird sicher nicht alles positiv sein. Allerdings war ich dann sehr überrascht, wie positiv neugierig die Amerikaner sind. Der schreckliche Weltkrieg und der inhumane Umgang miteinander, spielt plötzlich nur 23 Jahre später keine Rolle mehr im persönlichen Verhältnis. Das ist alles weggewischt durch den Respekt vor objektiver Leistung. Ich habe nur ganz wenige Menschen kennengelernt, die durch die Tatsache dass ich Deutscher bin, nicht freundlich oder negativ mir gegenüber auftraten. Das hat mich sehr verwundert und mir eine ganz neue Sichtweise gegeben die meine Persönlichkeitsentwicklung und mein Selbstbewusstsein maßgebend beeinflusst haben.

Astronaut Hans Schlegel kurz vorm Einsteigen in das Shuttle Atlantis. Foto: NASA/Scott Haun, Rick Prickett
Hans Schlegel kurz vorm Einsteigen in das Shuttle Atlantis. Foto: NASA/Scott Haun, Rick Prickett

Die wilden Tiere können sogar auf die Startrampen kriechen

Aber wenn man dann irgendwann im Space Shuttle sitzt, unter sich Tonnen von Treibstoff, und auf das Abheben wartet, was ist das für ein Gefühl? Ist das ein Zeitpunkt, an dem man plötzlich das Leben bewusster wahrnimmt? Rund um die Startrampen ist die Natur Floridas besonders üppig. Alligatoren sind zu sehen, Weißkopfseeadler brüten auf dem Gelände des Kennedy Space Centers und man selbst steht kurz davor ins leblose All zu fliegen. Hat man Angst, dass etwas passieren könnte und man diese wunderschöne Natur nie wieder sieht?

Die wilden Tiere können sogar auf die Startrampen kriechen. Überall, wo sie in Florida in der Nähe eines Gewässers sind, können sie auf einen Alligator oder auf nicht so harmlose Schlangen treffen. Waschbären – oder wenn sie weiter in der Natur sind – können Sie auf Schwarzbären treffen. Eine Trennung zwischen Wildlife und Zivilisation gibt es in den USA nicht so wie in Deutschland. Wenn Sie mit dem Bus zur Startrampe fahren, fällt das besonders auf. Sie fahren an einem Gewässer vorbei, und da schauen drei vier Alligatoren aus dem Wasser. Diese handfeste, berührbare Natur und dann der Raketenstart ins scheinbar leblose All ist jedoch überhaupt kein Gegensatz. Beides ist Natur. Das All ist überhaupt nicht leblos. Die Prozesse sind hier nur viel langsamer. Ganz viele Naturgesetze sind dort 1:1 ablesbar. Das ist wichtig, denn erst dadurch, dass wir diese verstanden haben, können wir uns die nähere kosmische Umgebung erklären und den riesigen Kosmos weiter erforschen.

In den Gewässern rund um die Startrampen im Kenneny Space Center leben Krokodile. Foto: Thomas Limberg
In den Gewässern rund um die Startrampen leben Krokodile. Foto: Thomas Limberg

Uns ist es wert, dieses Risiko einzugehen

Also keine Angst?

Sie dürfen nicht vergessen, dass wir als Team starten. Wir nehmen unser Leben mit. Ich bin verantwortlich für meines und bin auch verantwortlich für die anderen Crewmitglieder. Wir passen gegenseitig aufeinander auf. Der Shuttle, mit dem ich zwei Mal gestartet bin, wiegt ca 2000 Tonnen. Davon sind 95 oder vielleicht etwas mehr Prozent hochexplosiver Treibstoff. Das ist eine Gefährdung und der ist man sich bewusst. Und weil man sich dessen bewusst ist, tut man während der Startvorbereitung alles, um alle Parameter im grünen Bereich zu halten. Ich werde oft gefragt, ob man Angst hat. Das ist der falsche Ausdruck. Angst heißt ja immer auch ein bisschen Panik zu haben oder planlos zu sein. Ich sage es immer anders: Wir haben Respekt vor dieser Gefährdung und weil wir diesen Respekt haben beobachten wir genau und handeln nach Plan. Als ich mich als Astronaut beworben habe, da war gerade das Challenger-Unglück passiert. Bei meinem zweiten Start mit einem Shuttle, ist fünf Jahre zuvor die Raumfähre Columbia über Texas auseinander gebrochen. Diese Risiken sind uns eindeutig bewusst. Das kennt man auch als Autofahrer in Deutschland. Auch dort gibt es ein Risiko, dass man bewusst eingeht, weil die persönliche Mobilität alles überwiegt. Bei uns überwiegt das, was wir bei einem Shuttle- oder Raketenstart gewinnen können. Uns ist es wert, dieses Risiko einzugehen.

Die Raumfähre Atlantis hebt mit Astronaut Hans Schlegel vom Kennedy Space Center ab. Foto: NASA
Die Raumfähre Atlantis hebt mit Astronaut Hans Schlegel vom Kennedy Space Center ab. Foto: NASA

Die Astronauten, die bei Columbia ums Leben kamen, waren meine Freunde

Sie haben die tragischen Space-Shuttle-Missionen mit den Raumfähren Challenger und Columbia angesprochen. Das muss einem doch im Hinterkopf sitzen, wenn man ins All startet, oder?

Das geht einem natürlich sehr nahe. Die Astronauten der Challenger Katastrophe kannte ich nicht. Aber die Astronauten, die bei Columbia ums Leben kamen, waren meine Freunde. Den einen mochte ich besonders gerne, mit ihm bin ich sehr gerne T-38 geflogen. Nicht nur weil er ein toller Testpilot war, vor allem auch, weil er die Fähigkeit hatte einen mittelalten Wissenschaftler wie mich an diese etwas andere Arbeitsweise eines Piloten heranzuführen. Diese ganz und gar nicht arrogante sondern heranführende Art von Michael Anderson hat mich fasziniert. Wenn man für das Weltraumprogramm der NASA arbeitet, baut man untereinander sehr enge Beziehungen auf. Das Unglück war für mich so, als ob ein Teil meiner Familie gestorben sei. So etwas berührt einen sehr tief. Die Entscheidung, selbst das Risiko eines Raumfluges einzugehen, macht man aber mit sich vorher ab. Noch bevor man sich bewirbt, bevor man ein Training startet und bevor man für eine Mission ausgewählt wird. Wenn man dann schließlich soweit ist, ist man auch für die anderen Astronauten da und das Gefühl der Verantwortung für den Erfolg der Mission überwiegt.

Trümmerteil des verunglückten Space Shuttles Challenger im Kennedy Space Center
Trümmerteil des verunglückten Space Shuttles Challenger im Kennedy Space Center. Foto: Thomas Limberg

Wie haben Sie die Stunden vor einem Start erlebt?

Sechs Stunden vor dem Start werden Sie geweckt. Nach dem Medizincheck folgt dann das Frühstück. Das wird gefilmt und wird schließlich zu einem Dokument für die Familie und Freunde am Boden, falls etwas schief läuft. Das ist etwas, was dann von ihnen übrig bleibt. Natürlich ist das ein bisschen eine besondere Situation. Dass das eine gewisse Anspannung erzeugt, kann niemand verleugnen. Wer als Astronaut aber keinen Respekt vor einer gefährlichen Situation hat oder sagt, dass ein Astronaut nicht Angst haben darf, der ist an der falschen Stelle. Dieses Lebenserhaltungsgefühl Angst oder Respekt vor einer gefährlichen Situation – das muss man haben, damit man sich selbst und seinen Kollegen gegenüber verantwortungsvoll handeln kann. Nach dem Frühstück zieht man dann Schicht für Schicht seine Ausrüstung an, lässt sich in die dabei auf dem Rücken liegenden Sitze schnallen und schon 2,5 Stunden vor dem Start befinden wir uns alle im Shuttle und es läuft eine Sequenz ab in der alle Systeme überprüft werden. Darüber hinaus waren die Wissenschaftsastronauten von Kopf bis Fuß mit Experimenten bedeckt, die auch sehr persönlich werden können. Ich startete z.B. mit einem zentralen Venen-Katheter, der in meine linke Ellenbogenbeuge und dann durch die Halsvene abwärts ging – bis ca 2,5 cm vor das Herz. Damit wurde der venöse Blutdruck während der Startphase und vor allem beim Eintritt in die Schwerelosigkeit gemessen, um zu verstehen wie sich der Blutkreislauf an die Schwerelosigkeit anpasst; wie der Mensch so gut in der Schwerelosigkeit funktionieren kann.

Wenn ich zu einer Reise aufbreche, frage ich mich im Vorfeld immer, wie wird wohl am Abend das Bett im Hotel sein. Wie ist das bei einer Reise ins All? Fragt man sich davor auch, wie man auf der ISS schlafen wird?

(lacht) Ja, das geistert einem im Kopf rum. Im Training soll eigentlich der Eintritt in ungewohnte Umstände vorweg genommen werden, aber tatsächlich blieb das für mich wirklich eine Frage. Mir wurde zuvor gar nicht gesagt, wie genau man da schläft, wie man sich wäscht und wo all das genau dort geht. Wir haben zwar im Vorfeld die einzelnen Möglichkeiten kurz behandelt, aber wie das alles räumlich angeordnet ist, wurde improvisiert. Das trägt schon etwas dazu bei, dass man ein bisschen angespannt und aufgeregt ist.

Mal ein ganz anderes Thema: Im Rahmen der Artemis-Missionen, die 2021 erstmals starten sollen, wollen die Amerikaner drei Jahre später wieder auf den Mond. Schon jetzt wurde verkündet, dass dabei auch erstmals eine Frau den Mond betreten soll. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Frauen möglicherweise die besseren Astronauten sind. Ist das so?

(lacht) Ich weiß nicht, ob sie meine persönliche Geschichte kennen, ich bin mit einer Astronautin verheiratet.

Wenn wir unsere Frauen nicht in alle Gebiete einbeziehen, verzichten wir jeweils mindestens auf die Hälfte der Intelligenz

Also dürfen Sie nur mit “Ja” antworten, oder?

Es ist doch völlig klar. Das amerikanische Astronautencorps besteht zu ungefähr einem Drittel aus Frauen. Aktuell sind zwei Frauen mit vier Männern auf der ISS. Wir haben auch eine geflogene Frau in unserem europäischen Astronautenkorps, die Italienerin Samantha Cristoforetti. Mit Renate Brümmer und der jetzigen Heike Schlegel-Walpot waren zwei Astronautinnen in dem 5er Kreis, in dem ich als Deutscher Astronaut ausgewählt worden war. Es mag sich wie eine Phrase anhören, aber es ist für einen Wissenschaftler einfach eine Tatsache, dass wenn wir unsere Frauen nicht in alle Gebiete einbeziehen, wir jeweils mindestens auf die Hälfte der Intelligenz verzichten.

Zuerst müssen wir auf dem Mond unsere Technik ausprobieren

Warum müssen wir eigentlich wieder zum Mond?

Die Rückkehr zum Mond ist der erste Schritt bevor wir zum Mars oder zu einem noch unwirtlicherem anderen Himmelskörper fliegen können. Zuerst müssen wir dort, so nah wie möglich an der Erde, unsere Technik ausprobieren und Erfahrungen sammeln um immer robustere Lösungen zu finden. Gerade das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik war federführend, als es darum ging Daten über den Mond zu sammeln und Ideen zu entwickeln, was man dort machen kann. Ob auf der dunklen Seite des Mondes, wo die Sonne nie scheint ein Teleskop aufzubauen, das viel größer und leistungsfähiger ist, als das Hubble-Weltraumteleskop oder Technik im Mondstaub zu erproben um das Überleben im Vakuum, oder in der lebensfeindlichen Atmosphäre zu sichern. Stellen Sie sich einmal vor, sie gehen irgendwo am Strand zelten. Aggressiver feinkörniger Sand sitzt dann anschließend überall am Material und am Menschen. Mondstaub verhält sich ähnlich. Wie wir in dieser technisch anspruchsvollen Welt leben können, müssen wir dort, in der Nähe der Erde ausprobieren und lernen, wenn wir auf dem Mars erfolgreich sein wollen.

Das Schicksal der Erde auf dem Mars verstehen lernen

Und warum müssen wir auf den Mars?

Der Mars ist der erdähnlichste Planet, den wir in unserem Sonnensystem haben. Früher hatte er Wasser und eine dichtere Atmosphäre. Wir müssen verstehen, was da passiert ist, dass das heute nicht mehr so ist. Warum gibt es dort heute keine Atmosphäre mehr und nur noch wenig Wasser im gefrorenen Zustand? Wenn wir wissen wollen, was das Schicksal unserer Erde sein wird, müssen wir die Ereignisse auf dem Mars verstehen lernen. Das alles ist natürlich auch eine politische Entscheidung. Was wollen wir verstehen und wofür wollen wir unsere Ressourcen einsetzen?

reisen zum Mars wird im Kennedy Space Center ein ganzer Themenbereich gewidmet. Foto: Thomas Limberg
reisen zum Mars wird im Kennedy Space Center ein ganzer Themenbereich gewidmet. Foto: Thomas Limberg

Sind Sie persönlich auch in die Vorbereitung dieser Missionen eingebunden?

Nein, ich arbeite daran das Programm der ISS umzusetzen. Wir sind gerade im Umbruch. In letzter Zeit hat ausschließlich das russische Raumfahrzeuge Sojus Menschen von Kasachstan aus zur ISS gebracht. Die amerikanischen Firmen Space X und Boeing entwickeln seit mehreren Jahren unter der Hilfe der NASA kommerzielle Raumschiffe, die das künftig auch leisten sollen. Noch Anfang 2020 sollen die neuen Raumschiffe Dragon und CST 100 Menschen zur ISS bringen. Diese werden dann auch wieder von Cape Kennedy starten. Neben der Umsetzung dieses Programms arbeite ich aber vor allem auch in der Unterstützung der Ausbildung der europäischen Astronauten, wenn sie in den USA sind. Ich bin sozusagen der Stadthalter, der hier alles parat hält, sich hier auskennt, den Astronauten hilft und sie unterstützt, wo es nötig ist.

Alexander Gerst findet sehr schnell Zugang zu anderen

Im Zuge dessen haben Sie oft auch mit Alexander Gerst zusammengearbeitet, der vor allem durch seine beeindruckenden Fotos aus dem All in den sozialen Netzwerken für eine völlig neue Weltraumbegeisterung gesorgt hat. Wird so etwas künftig zunehmen? Erleben wir die nächste Mondlandung noch unmittelbarer?

Ich denke, dass das in der Tat so passieren wird, weil auch immer mehr erkannt wird, dass es ja Menschen mit Gefühl sind die die Raumfahrt vorantreiben. Heute können wir durch die sozialen Medien an den Erfahrungen anderer teilhaben und intensiver mitfühlen. Wenn wir dann Menschen die Missionen durchführen lassen, die außerdem noch diese sozialen Fähigkeiten haben, die insbesondere auch Alexander Gerst hat, ist das sicherlich sehr positiv. Er ist ein Mensch, der durch sein Auftreten und seine Persönlichkeit sehr leicht und sehr schnell Zugang zu anderen findet.

Was können wir denn auf der Erde für Raumfahrt-Highlights erleben? Was Besucher im Kennedy Space Center sehen können, habe Sie bereits verraten. Was erwartet denn Besucher bei Ihnen in Houston?

Im Besucherbereich des Space Centers Houston gibt es viele Highlights. Es gibt u.a. einen Museumsteil, in dem auch eine tatsächlich zum Mond geflogene Apollo-Kapsel zu sehen ist, dazu eine Mondlandschaft und Mondgestein. Dann befindet sich hier auch ein begehbares Space Shuttle, auf seinem Trägerflugzeug. Sie können mit einer Tram über das JSC-Gelände fahren und auch den größten Indoor-Pool sehen, in dem Weltraumspaziergänge trainiert werden, kommen am Gebäude 9 vorbei, in dem ein 1:1 Modell der ISS steht und können einen ausführlichen Blick ins Kontrollzentrum werfen, wo die Flight Controller aktuell die ISS kontrollieren. Für jemanden, der raumfahrtbegeistert ist, ist das hier fantastisch hautnah zu erleben und für Andere erschließt sich hier die Komplexität der Raumfahrt Forschung.

Thomas Limberg

Ich bin Thomas – das Gesicht hinter Breitengrad66. Schon seit 2010 nehme ich meine Leser in diesem Reiseblog mit auf Reisen. Unterwegs gibt es fast nichts, für das ich mich nicht begeistern kann. Ob fremde Kulturen, sportliche Herausforderungen, einzigartige Natur, schicke Hotels oder außergewöhnliche Kulinarik – ich bin immer neugierig auf Neues. Auf keiner Reise fehlen darf meine Kamera, denn Fotografie ist eine meiner größten Leidenschaften. Besonders stolz bin ich darauf, dass Breitengrad66 bei der renommierten Wahl zum Reiseblog des Jahres 2020 von Touristik PR unter die 20 besten gewählt wurde. Mehr über diesen Blog und über mich gibt es HIER zu lesen.

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