Dieser Artikel wurde zuletzt am 12. Februar 2023 aktualisiert.
“Stand Vincent van Gogh damals wirklich genau hier?”, frage ich mich, als ich vor der kleinen Kirche im schmucken Örtchen Nuenen stehe. Die Antwort bekomme ich recht schnell, als ich einen goldenen Bilderrahmen mit einer Infotafel entdecke. Der Rahmen markiert genau den Ort, an dem Van Gogh einst seine Staffelei aufbaute und anschließend die Kirche malte, in der vor über 130 Jahren sein Vater predigte. Heute trägt die Kirche Van Goghs Namen und ist nur eine von insgesamt 23 Stationen in Nuenen, die noch immer an das Leben und Wirken des berühmten Malers erinnern.
Noch 14 Gebäude, die Van Gogh malte sind zu sehen
Allein 14 dieser Stationen sind Gebäude, die Van Gogh malte oder zeichnete. Dazu gesellen sich von ihm gezeichnete Landschaften, Statuen, die mit seinem Leben verbunden sind und sogar ein Radweg, der ihm gewidmet ist. An kaum einem anderen Ort kann man auf so vielen Spuren des Künstlers wandeln, wie hier in diesem Ort im Süden der Niederlande.
Nuenen wirkt wie ein riesiges Freilichtmuseum
Wer die Stationen besucht, wird sich schnell wie in einer Art Freilichtmuseum fühlen. Dabei wird vieles bekannt erscheinen. Schließlich hat fast jeder schon einmal – sei es in Büchern oder in den Kunstmuseen rund um den Globus – einige der Werke gesehen, die Van Gogh in Nuenen schuf. Und davon gibt es eine ganze Menge. In den nur zwei Jahren, die Van Gogh in Nuenen lebte, arbeitete er wie ein Besessener. Hier, in der Provinz des südlichen Brabants, entstand ein Viertel des Gesamtwerks Van Goghs. Neben zahlreichen Zeichnungen und Aquarellen waren es in Nuenen vor allem auch knapp 200 Gemälde.
Ein Rundgang durch Nuenen lässt sich am Vincentre starten
Für einen Besuch der wichtigsten Stationen empfiehlt sich ein Start direkt im Zentrum Nuenens. Dort befindet sich unter der Adresse “Berg 29” das Vincentre. Das kleine Museum informiert über den Menschen Van Gogh und seine Entwicklung zum Maler, die, wenn man es so will, direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite seinen echten Anfang nahm. Dort befindet sich das Pfarrhaus, in dem seine Eltern lebten und in das Vincent zunächst auch einzog und sich im dazugehörigen Waschhaus im Garten ein Atelier einrichtete.
Der Garten des Pfarrhauses von Nuenen
Allein den angrenzenden Garten malte und zeichnete Van Gogh wieder und wieder. Mal mit Tinte, mal mit Bleistift, mal mit Aquarell- und schließlich auch mit Ölfarben. In Nuenen wollte er den Durchbruch schaffen. Er schickte die Gemälde des Pfarrgartens und weitere an seinen Bruder Theo, der sie in Paris vermarkten sollte. Doch der Erfolg blieb aus. Van Gogh wechselte in Nuenen schließlich mehr und mehr die gemalten Motive. Statt Landschaften waren es immer öfter Alltagsszenen mit Menschen. Was in seinen Arbeiten blieb, waren weiterhin die dunklen Erdtöne und noch nicht die leuchtenden Farben seines Spätwerks.
Die Kartoffelesser waren Van Goghs erstes Meisterwerk
So entstand auch sein erstes großes Meisterwerk: “Die Katoffelesser”. Das Haus, in dem sich die bäuerliche Familie De Groot malen ließ, steht heute nicht mehr. Vor dem Grundstück erinnert aber eine Infotafel an jenen Ort, wo eines der bedeutendsten Werke der Kunstgeschichte geschaffen wurde. Nur wenige Meter entfernt sind hingegen auch heute noch die Roosdonck Windmühle und das Haus, in dem der Weber Pieter Dekkers lebte, zu sehen. Beide Orte wurden von Van Gogh immer wieder aufgesucht und gemalt.
Viele weitere Van-Gogh-Orte befinden sich in Nuenen
Daneben gibt es in Nuenen noch eine ganze Reihe weiterer Orte zu entdecken, die bis heute auch auf Van Goghs Skizzen, Zeichnungen und Gemälden erhalten sind. Besonders sehenswert sind z.B. die Wassermühlen Opwetten oder die Coll’sche Wassermühle, die sich bereits auf dem Stadtgebiet des benachbarten Eindhovens befindet sowie wie die St. Clemens Kirche. Neben ihr befand sich das Atelier von van Gogh, nachdem er sich mit seinem Vater überworfen und das Pfarrhaus, nur einige wenige Meter die Straße hinab, verlassen hatte.
Auch hier hatte Van Gogh ein Atelier
In dem Atelier, in dem ein völliges Chaos geherrscht haben soll, vollendete Van Gogh die beiden finalen Versionen der Kartoffelesser. Heute sind sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Clemens Church Park als Bronzefiguren nachgebildet. Davor befindet sich ein leerer Stuhl, der dazu einlädt, sich zu den Figuren zu gesellen.
Ich setze mich und denke darüber nach, wie es damals wohl hier gewesen sein mag. Damals, zwischen 1883 und 1885, als Van Gogh hier lebte. Hat er wohl auch an dieser Stelle gesessen? Ist er in den derb geschnitzten Brabanter Holzsschuhen über diesen Platz geschlürft? Hat er sich hier mit seiner Geliebten Margot Begemann getroffen, deren damaliges Wohnhaus noch heute direkt neben dem Pfarrhaus steht?
Kein einziges Gemälde von Van Gogh befindet sich noch in Nuenen
Eines ist klar, auch wenn die Werke Van Goghs heute in den großen Museen der Welt hängen und sich kein einziges mehr in Nuenen befindet, gibt es wohl keinen Ort auf der Welt, an dem man Van Gogh näher kommen kann, als in Nuenen – und das über 130 Jahre nach seinem Tod.
Ein weiteres Buch über Vincent van Gogh, das ich uneingeschränkt empfehlen kann, ist der “Van Gogh Atlas”* aus dem Sieveking Verlag. Auf 184 wunderschön im Scrapbook-Stil gestalteten Seiten, werden die wichtigsten Stationen in Van Goghs Leben nachgezeichnet. Mal sind es alte Postkarten oder alte Stadtpläne, mal Ausschnitte aus Vincents Briefen oder vergilbte Fotos und Zugfahrkarten aus dem späten 19. Jahrhundert. Mit all diesen liebevoll arrangierten Schnipseln ergibt sich ein ganz besonderes Bild von den Aufenthaltsorten Van Goghs – ob in Nuenen oder an all den anderen Stationen, an denen Van Gogh lebte.
Tipps zu weiteren Van-Gogh-Orten in der Umgebung von Nuenen:
Wer in Brabant ist und sich in Nuenen die oben genannten Orte anschaut, die im Leben von Vincent van Gogh eine Rolle spielten, sollte sich auch noch die Zeit für einen Abstecher nach Zundert und Etten-Leur nehmen. Beide Orte liegen nicht weit voneinander entfernt, etwa 80 km westlich von Nuenen. In Zundert wurde Van Gogh am 30. März 1853 geboren. Sein Geburtshaus wurde rekonstruiert am originalen Standplatz wieder aufgebaut. Rund um den Platz sieht es heute noch ähnlich aus, wie zu Van Goghs Kindertagen. Das Rathaus ist erhalten und der Charakter des Platzes, an dem sich auch seine Schule befand, ist unverändert. Daneben gibt es in Zundert noch weitere Orte zu entdecken, die einen engen Bezug zu Van Gogh haben. Auch hier predigte sein Vater in einer kleinen Kirche, die noch zu sehen ist. Hinter ihr liegt auch Van Goghs älterer Bruder begraben, der tot zur Welt kam und ebenfalls Vincent hieß.
In Etten-Leur lebte die Familie Van Gogh sieben Jahre. Vincent beschloss hier im Alter von 28 Jahren Künstler zu werden. Das Rathaus, in dem er sich dafür registrieren ließ ist noch zu sehen, ebenso wie die benachbarte protestantische Kirche, die heute Van Gogh Kirche heißt und die Van Gogh ebenfalls zeichnete. Vom Pfarrhaus hinter der Kirche, wo die Familie damals lebte sowie von Vincents ersten Atelier, das sich dort befand, existiert nichts mehr. Eine kleine Van-Gogh-Statue markiert jetzt den ehemaligen Standort. Besonders sehenswert ist eine bunt gestaltete Häuserwand mit Zeichnungen und einem Selbstporträt von Van Gogh, die sich direkt neben der Kirche befindet.
[…] verbrachte eine wichtige Zeit in Nuenen. Dort entstanden fast 200 seiner Werke in nur zwei Jahren17. Diese Werke waren der Start für seine berühmte […]